ADHS is power

 

 

 

„Das Chaos, das in mir ist“: Künstler mit ADHS zeigen ihre Werke in der Kölner Südstadt

Eine Ausstellung in der Kölner Südstadt zeigt den Kampf mit einer Diagnose und wie Künstler ihre „Defizite“ in Potenziale verwandeln.

Vor einer weißen Leinwand steht ein Mann in amerikanischer Militär-Uniform, sein Blick ist in die Kamera gerichtet. Doch es ist nicht seine. „Ich trage keine Uniform. Ich bin nicht sportlich. Ich habe keinen Partner. Ich habe keine Kinder. Ich habe keinen Hund“, bekennt er sich. Er zählt alles auf, was er nicht ist, was er nicht hat, was ihn sich als Außenseiter in der Gesellschaft fühlen lasst. Es sei eine Befreiung, sagt er.  

In dem Videoprojekt „My Brother’s Uniform“ reflektiert Arthur Jongebloed die Beziehung zu seinem Bruder und seine Kindheit. Der Künstler aus den USA lebt seit Jahren in Deutschland. Tausende Kilometer weit weg arbeitet sein Bruder als Kampfjetpilot bei der U.S. Navy. Anders als er habe sich Jongebloed für die Kunst entschieden. „Es ist eine Botschaft. Obwohl wir so unterschiedlich sind, dass ich ihn verstehen kann“, sagt er. 

Das Stigma einer Diagnose

Seine Videoperformance ist Teil der Ausstellung „ADHS is Power”. Das Programm thematisiert Ausgrenzung in der Gesellschaft. Es geht um Inklusion. Es geht um Diagnosen wie ADHS, Autismus oder Bipolarität. Es geht um vermeintliche Schwächen, die Künstler in Stärken umwandeln. Das alles übersetzt in Kunst. Malereien, Fotografien, Skulpturen, Videokunst und  Performances. Die Vernissage mit Rahmenprogramm fand am Wochenende im Odonien statt. An einer roten bekritzelten Wand hängen Bilder von einer Frau, die halb unter einem Teppich liegt.

In dem Werk »Verborgenheiten« performt Marguérite Apostolidis unter einem schweren Teppich.
Copyright: Katharina Kampen

Die Künstler Pascal Behrendt und Marguérite Apostolidis produzieren die Ausstellung in Kooperation mit dem Club 68 Köln. Sie selbst erleben den Kampf um Inklusion hautnah. Behrendt hat ADHS seit seiner Kindheit. „Die Kreativität, das Chaos, das in mir ist, das mich ständig dazu bringt zu kreieren“, sagt er, das sei die Stärke hinter seiner Diagnose. Er erschafft Papierarbeiten, Malereien und Skulpturen aus Baumstoff, Klebeband oder Luftpolsterfolie.

Performance zu psychischer Gewalt

In den Werken unter dem Namen „Verborgenheiten“ fotografiert er Apostolidis. Sie liegt auf dem Boden unter einem schweren Teppich, ein Arm und Bein hinausgestreckt. In der Arbeit setzt sich die Performance Künstlerin mit psychischer Gewalt auseinander. „Wie ist mein Stand in der Gesellschaft, wie möchte ich mich selbst behaupten, wie kann ich traumatische Erfahrungen anders ausdrücken“, sagt sie.

Insgesamt wirken 13 Künstler bei „ADHS is Power“ mit. Darunter auch Jacqueline Weihe mit einer intimen Aktperformance am Wochenende. „Sie hat fast nackt performt. Es ging um Haut und Berührungen. Die Haut zeigt Grenzen auf.“, sagt Apostolidis. Weihe legte sich auf den staubigen Boden, lud die Zuschauer ein, sie anzufassen. Das seien interessante Momente, in denen man selbst reflektiere, so Apostolidis.

Ein junger Mann mit Käppi und Kopfhörern um den Hals steht an einer Straße. Im Hintergrund ist ein Gebäude zu sehen, auf dem ein großer Fuchs prangt.

Vom 15. September bis 15. Oktober sind die Werke barrierefrei in den Kunsträumen der Michael Horbach Stiftung ausgestellt. Am 8. Oktober um 13 Uhr erschaffen sie in einer Performance mit Lilli Eben live ein Kunstwerk. Am 11. Oktober um 16 Uhr findet ein Philosophiegespräch statt. Das Gespräch wird in Gebärdensprache übersetzt.

Kunsträume der Michael Horbach Stiftung, Wormser Straße 23, 50677 Köln. Öffnungszeiten sind mittwochs und freitags von 15.30 bis 18.30 Uhr, sonntags von 11 bis 14 Uhr. Die Ausstellungseröffnung ist am Freitag, 15. September, um 15.30 Uhr mit anschließender Führung mit Audiodeskription.

Den Artikel im Original auf ksta.de

 

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